Wird es Taten im Himmel geben oder werden sie ein Ende nehmen?

Eine weitere wichtige Frage, ohne deren Beantwortung ein Bericht des Lebens nach dem Tod unvollständig bleiben muss, lautet: Was wird der Mensch im kommenden Leben tun? Werden seine Taten ein Ende nehmen? Wird er sich nur wie eine pensionierte Person mit Essen und Trinken beschäftigen oder wird er etwas zu tun haben? Die Antwort, die der Islam auf diese Frage gibt, ist, dass Taten zu vollbringen Leben bedeutet und einen Menschen von dem Ausüben von Taten zu trennen bedeutet, ihn seines Lebens zu berauben. Ein Leben ohne Taten ist schlimmer als der Tod. Wenn ein Leben ohne Aktivitäten etwas Gutes gewesen wäre, wären die faulen Menschen dieser Welt als die besten und höchst beneidenswerten Menschen angesehen worden. Aber jemand, der der Arbeit entspringende Freude erfahren hat, weiß, dass wahres Glück auf Taten und Fortschritte beruht. Es mag für einen Idioten gut sein, faul zu bleiben, aber niemand mit gesundem Verstand würde es wünschen, ohne Arbeit zu sein. Der Heilige Qur-ân sagt:

نُورُهُمْ يَسْعَىٰ بَيْنَ أَيْدِيهِمْ وَبِأَيْمَانِهِمْ يَقُولُونَ رَبَّنَا أَتْمِمْ لَنَا نُورَنَا وَاغْفِرْ لَنَا ۖ إِنَّكَ عَلَىٰ كُلِّ شَيْءٍ قَدِيرٌ

„Ihr Licht wird vor ihnen her eilen und auf ihrer Rechten. Sie werden sprechen: Unser Herr mache unser Licht für uns vollkommen und vergib uns, denn Du vermagst alle Dinge zu tun.“ (66:9)

Das heißt, jeder Gläubige wird fortfahren, Fortschritte zu erzielen und neue Stufen des Fortschritts zu erkennen, die zu erreichen er erstreben und begehren wird. Weiter sagt der Heilige Qur-ân, „Müdigkeit soll sie darin nicht berühren, noch sollen sie je von dort vertrieben werden“(15:49), was anzeigt, dass es im Himmel Arbeit geben wird, die aber keine Ermüdung oder Erschöpfung verursachen wird. An anderer Stelle sagt der Heilige Qur-ân:

يَا أَيَّتُهَا النَّفْسُ الْمُطْمَئِنَّةُ   -ارْجِعِي إِلَىٰ رَبِّكِ رَاضِيَةً مَّرْضِيَّةً – فَادْخُلِي فِي عِبَادِي-  وَادْخُلِي جَنَّتِي

„(Doch) du, o beruhigte Seele, kehre zurück zu deinem Herrn, befriedigt in (Seiner) Zufriedenheit! So tritt denn ein unter Meine Diener!“

Obwohl der Mensch die ihm in diesem Leben zugeteilte Arbeit hat, beginnt die Zeit der wirklichen Arbeit somit nach dem Tod. Es ist dann, dass ein Gläubiger zu einem perfekten Diener Gottes wird, denn dann ist es, dass er die vollständigste Gelegenheit bekommt, die Attribute Gottes in sich aufzunehmen und auf vollendete Weise zu manifestieren. Die Arbeit des Menschen wird also im Leben nach dem Tod nicht enden. Sie wird sich, vielmehr noch, vermehren.

Der Heilige Prophet MuhammadSAW hat gesagt: „Im Paradies wird den Gläubigen durch Offenbarungen neue Formen der Glorifizierung und Heiligung Gottes beigebracht.“294

Dies bedeutet nicht, da die Menschen dies selbstständig machen können, dass ihnen neue Ausdrucksweisen der Glorifizierung Gottes beigebracht werden. Vielmehr bedeutet es, dass ihnen durch Offenbarungen neue Attribute Gottes hinsichtlich Seiner Heiligkeit und Majestät nahegebracht wird, so dass sie sich darum bemühen, selbst zu Manifestationen dieser Attribute zu werden. Nun kann gefragt werden, welche neuen Attribute in Erscheinung treten werden, die wir nicht jetzt schon kennen? Die Antwort darauf lautet, dass der Mensch nur so viel Wissen erlangen kann, wie er durch seine Sinne aufzunehmen in der Lage ist. Demzufolge ist unser derzeitiges Wissen durch das Auffassungsvermögen unserer Sinne beschränkt. Als vollkommen könnte es also immer nur hinsichtlich des Auffassungsvermögens unserer derzeitigen Sinne bezeichnet werden. Doch wenn der Mensch neue Sinne erhält, dann wird er auch in der Lage sein, neue Attribute zu erfassen, und weil Gott unendlich ist, wird auch der Mensch in der Erkenntnis und dem Wissen um das Heilige Wesen fortschreiten, so dass ihm immer mehr Attribute Gottes offenbart werden. Er wird versuchen, sie in sich selbst zu erkennen. Das neue Wissen wird immer mehr Handlungsräume eröffnen, der Mensch wird auf dem Pfad des unendlichen Fortschritts voranschreiten und sein Glauben in und Wissen um die unendliche Macht und die Attribute Gottes wird sich tagtäglich vermehren. Kurzum, das Paradies wird, so wie die Erde auch, ein Raum sein, in dem Handlungen vollzogen werden, vielmehr noch, es wird mehr als das sein. In diesem Leben neigt der Mensch dazu, zu scheitern und zurückzubleiben, im nächsten Leben aber ist man vor dieser Gefahr gefeit. Hinsichtlich des spirituellen Wissens und seiner Bemühungen ist diese Welt mit einer Schule zu vergleichen, in der eine Person scheitern oder bestehen kann. Das nächste Leben aber kann man mit dem einer Person verglichen werden, die nach dem Erlangen eines akademischen Grades in der Aufklärung über das Leben nach dem Tod Forschung tätig ist. Auch so eine Person arbeitet hart, manchmal sogar härter als ein Student, doch der Unterschied zwischen ihm und dem Studenten besteht darin, dass der Student immer die Angst vor dem Scheitern hat, der Forscher diese Ängste jedoch nicht besitzt. Aus dieser Diskussion ist auch zu erkennen, dass die wahren Segnungen und Freuden des Paradieses im spirituellen Fortschritt verborgen liegen und nicht in der Befriedigung körperlicher Begierden. Im Heiligen Qur-ân heißt es, dass die größte Segnung des Paradieses im Wohlgefallen Gottes zu finden ist[1], und der größte Genuss, dem Heiligen ProphetenSAW zufolge, darin besteht, Gott zu sehen.[2]

Kurzum, das Paradies der Muslime besteht im Erlangen von wahrem und vollkommenem Wissen, dem Handeln gemäß diesem Wissen und im Erreichen der Nähe zu und der Vereinigung mit Gott mit Hilfe dieser zwei Mittel. Es ist unmöglich, ein großartigeres Ziel als dieses zu formulieren.


[1] 9:72

[2] Tirmidhi, Abwab Siffatul Jannat.

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