Anweisungen von Hadhrat Khalifatul-Masih II.ra bezüglich des Arztberufs

In der Zeitschrift Al-Fazl Qadian vom 13.Mai 1924 ist der Artikel eines Ahmadi Arztes mit der Überschrift „Anweisung Hadhrat Khalifa-tul-Masihs II. (ra) bezüglich des Arztberufs – Ansprache an einen Arzt im Seuchendienst“ veröffentlicht worden, in welchem Hudhur elf wertvolle Ermahnungen erteilt hat. In Anbetracht der gegenwärtigen Verbreitung des Coronavirus dienen diese Anweisungen auch heute noch als ein Leitfaden für die Ahmadi Ärzte und Heilkundler. Für die Leser von Al-Fazl International wird dieser Artikel, welcher Hadhrat Musleh Mauds (ra) Ermahnungen enthält, veröffentlicht. (Der Herausgeber) Im Folgenden werden jene Anweisungen und Ermahnungen über das ärztliche Berufsleben aufgeführt, die Hadhrat Khalifat-ul-Masih II. (ra) dem demütigen Verfasser vor dem Antritt des Seuchendienstes in einer privaten Audienz mitgegeben hat. Ich hielt es für angemessen diese zum Nutzen von meinen Berufsgenossen und anderen Kollegen in der Zeitschrift Al-Fazl zu veröffentlichen. Hudhur erteilte in Form einer Rede Ermahnungen von mehr als einer Stunde und wies diesen Demütigen an, sich kurze Notizen zu machen. Gleichwohl lege ich diese im Folgenden in einiger Ausführlichkeit dar. Möge Allah, der Erhabene, mich und meine Berufsgenossen dazu befähigen diese zu befolgen. Amin.

Die erste Ermahnung

Hudhur sagte: Heilung liegt in der Hand Allahs. Die echte Ursache ist Er allein. Ein Attribut unter den Attributen Allahs lautet „Heiler“, das einem bei der Behandlung zugutekommt. Ärzte und Heilkundler bilden genau dieses Attribut Allahs ab. Deswegen sollte zum Zeitpunkt der Behandlung das ganze Augenmerk auf Allah liegen und du solltest zu Ihm beten, dass Er dir bei der Behandlung beistehen möge. Dann sprich Bittgebete für alle Kranken und bete für gewisse Patienten auch namentlich, beispielsweise etwa für die Schwererkrankten. Bei der Behandlung sollte dein Ziel aber keineswegs die Erlangung von Ansehen sein, sondern behandle einzig aus der Absicht heraus, die Leiden der Geschöpfe Gottes zu beseitigen. So sollte deine Absicht bei der Behandlung eben die sein, die Leiden der Erkrankten zu tilgen, und nicht, dass die Leute sagen „Was für ein fähiger Arzt!“.

Die zweite Ermahnung

Zum zweiten sollte man sich nichts auf seine Kenntnisse einbilden. Wenn irgendein Patient genesen ist, so ist dies nicht auf deine Bemühungen und deinen Verstand zurückzuführen, sondern lediglich auf die Gesetze der Natur, nicht deinen mutigen Einsatz. Du hast bloß die von Allah bestimmten Gesetze befolgt und die entsprechende Wirkung stellte sich ein. So besteht deine Aufgabe auch eben hierin, diese Gesetze zu befolgen und die Wirkung dessen Gott zuzuschreiben. Schau, wenn jemand ein Überweisungsformular mit seinem Namen und seiner Adresse versieht und damit zur Poststelle geht, um Geld abzugeben, und der Postmeister sein Geld annimmt, während ein anderer etwa Abfallpapier genauso mit seiner Adresse versieht und mitnimmt und sein Papier aber vom Postmeister zurückgewiesen wird, dann kann sich der Erstere ja auch nicht damit brüsten, durch seinen Verstand und seine Intelligenz ein solches Gesetz herausgefunden zu haben, infolgedessen sein Geld akzeptiert wurde, denn das Einzige, was er getan hat, war, die vom Postamt bestimmten Gesetze zu befolgen. Dementsprechend wurde sein Geld auch angenommen. Die vorbestimmten Gesetze zu befolgen ist also die Aufgabe des Menschen. Und die weitere Konsequenz, die sich dann daraus ergibt, ergibt sich entlang dieser Gesetze und ist von daher dem Gesetzgeber zuzuschreiben. Genauso verhält es sich auch mit einem Arzt.

Die dritte Ermahnung

Kein Beruf soll dem Glauben hinderlich sein, denn es handelt sich letztlich um nichts Separates. Vielmehr ordnet sich dies alles eben dem Glauben unter. Den Menschen jeder Wissensdisziplin und Profession obliegt es, mithilfe ihres Wissens sowohl dem Glauben zu dienen als auch die Weisheiten und Zwecke hinter den Geboten der Scharia zu ergründen. Ärzte und Heilkundler sollten die Anschuldigungen, die gegen den Islam gerichtet werden, im Lichte der Medizin entgegnen. Sie sollten ihren Beruf zum Helfer des Glaubens machen. Lesen Sie die Schriften von Wissenschaftlern unvorein-genommen und falls eine Anschuldigung den Islam treffen sollte, so denken Sie darüber nach und überlegen Sie sich die Antwort darauf. Wenn ich irgendein Buch lese, so halte ich mir vor Augen, welcher Einwand gegen den Islam sich hieraus ergeben könnte und überlege mir anschließend eine Entgegnung darauf.

Die vierte Ermahnung

Das Herz des Kranken ist weich. Deswegen sollte ihm der Glauben überbracht werden. In diesem Zustand wendet sich der Mensch der Wahrheit rascher zu. Den Kranken suchen dreierlei Sorgen heim: Erstens, die um sein eigenes Leben. Zweitens, die um die Verfassung seiner Familie. Drittens, die um sein Jenseits. Halte dir dies alles vor Augen, wenn du ihm den Glauben verkündest und nahelegst. Allah erhört den Ruf Seiner Diener und Er vergibt Sünden. Die Heilung liegt in Seiner Hand. Nimm zunächst die moralischen Werte und bring erst anschließend religiöse Fragestellungen zur Sprache. Erwähne ihm gegenüber nicht gleich zu Beginn schon die Streitfrage nach dem Tod Jesu.

Die fünfte Ermahnung

Sieh dein Leben als dem Beruf gewidmet an und gib deinem persönlichen Wohlergehen nicht den Vorrang darüber, etwa, wenn du mitten in der Nacht gerufen wirst, so verliere keinen Gedanken an deinen Schlaf und deine Erholung. Und falls es sich um einen Fall einer äußerst schweren Krankheit oder gefährlichen Seuche handelt, wie etwa die Pest oder die Cholera, so weise die Begutachtung dieser Fälle nicht einfach ab. Halte dort alle nötigen Vorsichtsmaßnahmen ein. Ich brachte vor, dass einer unserer Professoren stets zu sagen pflegt, dass man einen an Lungenpest Erkrankten niemals visitieren sollte, denn er selbst werde ohnehin nicht überleben, und obendrein würde man auch selbst zugrunde gehen. Hudhur sprach: Dies ist die Folge des fehlenden Glaubens an Allah und seines eigenen mangelnden Wissens. In den Hadithen heißt es: ٌ Es– لِک gibt eine Heilung für jede Krankheit. Es ist falsch zu sagen, dieser oder jener Kranke würde mit Gewissheit sterben. Es mag durchaus sein, dass er infolge deines Arzneirezeptes überlebt. Also sag nicht, dieser und jener Kranke sei unheilbar, sondern sag: „Uns ist seine Behandlung noch nicht bekannt“. Wickel dir Nase und Mund ein und visitiere dann den Kranken und behandle ihn, denn mit dem Tag, da du deine Prüfung bestanden hast, ist es dir zur Pflicht geworden, den Kranken Erleichterung zu verschaffen.

„Heilung liegt in der Hand Allahs. Die echte Ursache ist Er allein. Ein Attribut unter den Attributen Allahs lautet „Heiler“, das einem bei der Behandlung zugutekommt.“

Die sechste Ermahnung

Behandle die Armen und die Reichen bei deiner Therapie gleich und gehe mit den Armen in Demut um. Darin liegt die Würde dieses Berufs. Behandle die Reichen nicht aus dem Gedanken heraus, dass sie dich irgend einschüchtern oder du dich vor ihnen fürchtest, sondern erhalte dir deine Würde und kümmere dich nicht mehr um sie, nur weil sie etwa wohlhabender sind. Dass sie ihre Behandlungsgebühren begleichen, ist keine Wohltat. Du wirst arbeiten und die Gebühr nehmen.

Die siebte Ermahnung

In einer Praxis, d.h. als niedergelassener Arzt, ist das aller wichtigste die Reihenfolge der Patienten. Wer zuerst erscheint, den behandle zuerst und wer später erscheint, den behandle auch später, ob es sich nun um irgendeinen gewöhnlichen Dienstjungen oder das Oberhaupt einer Stadt handelt. Vergewissere dich selbst, wer zuerst kam. Hadhrat Khalifa-tul-Masih I.(ra) pflegte stets besondere Rücksicht darauf zu nehmen. Es gibt hierbei auch einige Ausnahmen, bei denen die Reihenfolge geändert werden muss. Beispielsweise, wenn die Verfassung irgendeines Patienten besonders kritisch ist, wie es gelegentlich etwa nach einem Urinverhalt oder einer Hernie und dergleichen der Fall sein kann. Dann behandle diese zuerst; genau wie auch den, dessen Respekt und Achtung dies gebieten, wie etwa ein religiöser Führer oder eine Respektperson der Gemeinde oder die eigenen Eltern und nahe Verwandte. Nimm auch Rücksicht auf Regierungsbeamte, nicht etwa, weil sie reich wären, sondern gib aus Achtung vor den Gesetzen und aus Respekt vor ihnen den Beamten – ganz gleich, ob sie von niederem oder höherem Rang oder reich oder arm seien – den Vorzug.

Die achte Ermahnung

Erachte die Darlegungen keines Patienten für minderwertig. Dieser Makel findet sich bei vielen Ärzten vor. Beispielsweise, wenn Hysteriker sagen „Das ist gar keine Krankheit, sondern nur Einbildung“. Der Therapie wird dann keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt. Oder aber, wenn das Herz infolge einer Nervenschwäche angeschlagen ist, dann tastet der Arzt den Puls und sagt kurzerhand: „Es ist nichts. Nur deine Einbildung“. Werde durch diesen Gedanken nicht fahrlässig bei der Behandlung, denn letztendlich ist doch auch die Einbildung Folge irgendeiner Krankheit. Versuche, die Ursache hierfür ausfindig zu machen. Es mag sein, dass genau dieses Symptom, was du noch für eine Einbildung hieltest, Vorbote irgendeiner künftigen Krankheit war. Dr. Mackenzie hat erst neulich erforscht, dass sich über die Symptome, die wir einst als bloße Einbildung und als Hirngespinst abgetan hatten, herausgestellt hat, dass sie sich nach fünfzehn oder zwanzig Jahren zu Krankheiten fortentwickelten, deren erstes Symptom dies gewesen war. Ebendeswegen darfst du der Behandlung gegenüber nicht gleichgültig werden und musst versuchen, die Ursachen zu ermitteln. Es ist etwa möglich, dass sich diese Einbildung letztendlich durch die mangelnde Sekretion einer inneren Drüse ergeben hat. Die Einbildung ist eine Krankheit an sich und in jedem Fall ist der Patient dem Leidensdruck ausgesetzt. So obliegt es dir, sein Leid zu beseitigen.

Die neunte Ermahnung

Traue nicht deinem Wissen und deiner Erfahrung und fahre nicht einfach blindlings fort, Medikamente zu verschreiben, d.h. nimm nicht im Sinne eines Patentrezeptes an, ein gewisses Medikament sei bei jener Krankheit immer und für jeden nutzbringend. Es ist die Vorgehensweise mancher Ärzte, ständig das gleiche Medikament, was sie einst 1880 einmal gelernt hatten, permanent weiter zu verschreiben. Bring deshalb stets die neuesten Behandlungen in Erfahrung. Denke niemals, dass du nun alles gelernt hast, sondern bleibe bis an dein Lebensende ein Lernender. Mache dir Nachforschungen zur Gewohnheit. Im Allgemeinen gibt es drei Arten von Menschen: Erstens die, die sich die neuesten Untersuchungen nicht einmal anhören und ständig nur ihre obsoleten Rezepte weiterbemühen. Zweitens die, die sich die neuesten Forschungsergebnisse zwar anhören, aber alles hartnäckig zurückweisen. Und drittens die, die alles unhinterfragt annehmen. Alle drei dieser Wege sind falsch. Du solltest dir die neuesten Nachforschungen durchlesen und dann von deinem Verstand Gebrauch machen. Falls ihre wissenschaftliche Hinterfragung schwierig sein sollte, so erprobe selbst durch die Praxis, ob jenes gewisse Medikament von Nutzen ist oder nicht. Und bringe durch die Praxis in Erfahrung, ob ein Arzneimittel bis zu einem gewissen Ausmaß einen Vorteil bringt. Erprobe seinen Nutzen an deinen Patienten und schlussfolgere dann, ob diese Therapie weitergeführt oder abgebrochen werden sollte. Der alternative Weg, falls man selbst keine Untersuchungen anstellen kann, besteht darin, von Erfahrungsberichten anderer zu profitieren, d.h. die Ergebnisse der praktischen Erfahrungen, die andere Ärzte in ihren jeweiligen Krankenhäusern hinsichtlich einer Therapie gemacht haben, in Erfahrung zu bringen. Doch wisse, der Aussage eines Forschers kann nicht einfach vertraut werden; denn zum einen führen sie ihre Untersuchungen nur an einer ausgewählten Gruppe von Leuten durch und zweitens machen sie von Überbewertung Gebrauch. Daher solltest du, wann immer eine neue Behandlungsmethode zutage tritt, sie unmittelbar weder annehmen, noch zurückweisen, sondern ihren Nutzen selbst durch eigene Praxiserfahrungen ermitteln oder die Erfahrungsberichte anderer Ärzte zurate ziehen und auf diese Weise zu einem Urteil hinsichtlich dieser Behandlungsmethode gelangen.

Die zehnte Ermahnung

Berücksichtige bei der Behandlung die Verfassung und Veranlagungen des Patienten. Ich denke, dass die Krankheit jedes Erkrankten unterschiedlich ist. Ärzte vernachlässigen diesen Umstand bisweilen: So vertragen manche zum Beispiel gewisse Nahrungen nicht. So vertrage ich etwa keine Milch und viele Ärzte haben auf verschiedenste Weisen versucht zu erreichen, dass ich Milch verdauen kann, doch ich hatte stets Probleme damit. Gewiss aber ist es etwas anderes, wenn Allah selbst außergewöhnliche Umstände schafft. So ging ich einst nach Pherochechi zum Zweck einer Luftveränderung. Auf dem Weg hat mir ein Gefolgsmann einen Becher Milch angeboten. Ich entgegnete, dass ich keine Milch vertrage und mein Leiden dadurch nur zunähme. Doch als er hartnäckig darauf bestand, habe ich begonnen die Milch zu trinken und sogar den ganzen Becher ausgetrunken. Ich habe jene Milch gut vertragen und auch bis zu sechs Monaten danach konnte ich noch Milch gut vertragen. So nimmt das Leiden mancher hierdurch zu. Dies sollte man berücksichtigen. Fragt den Betroffenen. Falls er anfällig gegenüber einem bestimmten Nahrungsmittel oder Medikament sein sollte, dann verabreicht es auch nicht. Berücksichtigt und achtet bei der Behandlung die Idiosynkrasien, jedoch nicht dann, wenn es sich nur um die Folge einer Gewohnheit und Einbildung handelt. So können manche Menschen bei dem Gedanken, dass es bitter und naturwarm wäre, kein Chinin einnehmen. In diesem Fall solltest du es mit einer Veränderung des Geschmacks verabreichen. Falls es sich aber um ein alltägliches Nahrungsmittel handelt, so ist es keine Einbildung. Falls jemand zum Beispiel kein Gerstenbrot verträgt, so bringe durch Versuche in Erfahrung, inwieweit das stimmt.

Die elfte Ermahnung

Werde durch eine große Anzahl von Patienten nicht unachtsam. Gib auch dann Acht, wenn du eine Vielzahl von Patienten betreuen musst. Desinfiziere deine Hände beispielsweise. Manche Ärzte injizieren, weil sie sich etwas auf ihre langjährige Erfahrung einbilden, voreilig ein Medikament, ohne sich vorher die Hände oder die Spritze selbst zu reinigen. Hierdurch entsteht manchmal ein Schaden. So ist erst neulich der Arm eines Arztes durch eben solche Sorglosigkeit entzündlich aufgequollen. Der Verheißene Messias (as) pflegte äußerst umsichtig vorzugehen, soweit, dass er sich sogar die Hände wusch, nachdem er eine aus einem Seuchengebiet eintreffende Karte nur berührt hatte. Halte alle Vorsichtsmaßnahmen, die hinsichtlich einer Krankheit vonnöten sind, gewissenhaft ein. Jedoch ist es auch nicht gut, wahnhaft zu werden. Hiernach hat Hudhur auf die Bitte meiner Wenigkeit hin einige besondere Anweisungen hinsichtlich des Seuchendienstes erteilt, worunter er insbesondere die Hygiene, den Kleidungswechsel und die Reinigung der Hände betonte. Er sagte: Nachdem du einen Patienten gesehen hast, wechsle deine Kleidung und reinige deine Hände gründlich und nutze als Prophylaxe täglich eine Pulverzubereitung aus 3 grain Chinin, 1 grain Kampfer und 3 grain Zitwerwurzel.

(Zeitschrift Al-Fazl, Qadian, 13. Mai 1924, S. 8-9) Aus dem Urdu von Nayyar Ahmad Sheikh

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